Eigentlich wissen wir genau, wohin wir wollen. Wir sammeln Informationen, vertiefen unser Wissen und feilen an Ideen und Details. Aber dann bleiben wir in dieser Phase hängen und schaffen nicht den Absprung in die Umsetzung. Warum fällt es uns bloß so schwer, einen Anfang zu finden?
Wir sind doch längst bereit, den ersten Schritt zu gehen. Und trotzdem bleiben wir stehen. Lesen noch ein Buch, holen uns noch mehr Input, buchen noch ein Seminar.
Vielleicht kennst du auch dieses Gefühl, deinen Träumen und Zielen hinterherzulaufen. Vor allem für die großen Träume scheint nie der richtige Moment zu sein, endlich loszugehen. Einfach einen Anfang zu machen, auch wenn wir noch nicht alles wissen. Auch wenn wir Angst haben und jeder Schritt uns Mut und Kraft kostet.
Was hält mich davon ab, einen Anfang zu finden?
Wahrscheinlich haben wir alle die eine oder andere Sehnsucht begraben und uns mit dem arrangiert, was uns vertraut ist und ja auch irgendwie funktioniert.
Als ich mich für den Weg in die Selbstständigkeit entschieden habe, hatte ich einen Plan für mein Business. Ich wollte nicht nur freier und selbstbestimmter leben und arbeiten, sondern auch meinen eigenen Weg in die Sichtbarkeit finden, aus dem Schatten treten und etwas Eigenes schaffen.
Ich wollte einen Blog starten, denn im Schreiben fühle ich mich zu Hause. Das Schreiben ist meine Welt, in der ich mich ausdrücken und reflektieren, verbinden und wachsen kann. Also habe ich Themen gesammelt, eine Blogstruktur erarbeitet, einen Redaktionsplan, Mindmaps und jede Menge Notizen erstellt.
Damit habe ich vor rund zwei Jahren angefangen. Und wie viele Blogartikel habe ich seitdem veröffentlicht? Keinen! Seit zwei Jahren! Dabei schreibe ich täglich für meine Kunden. Website-Texte, Blogartikel, Newsletter – für alles finde ich die richtigen Worte und meinen natürlichen Schreibflow. Aber für mich selbst? Totale Blockade.
Neue Eindrücke und Inspirationen wecken
Letztes Jahr wollte ich diesen inneren Widerstand endlich durchbrechen. Vielleicht hilft ja ein Tapetenwechsel. Mal raus aus dem Homeoffice und von neuen Eindrücken beflügeln lassen.
Und so bin ich nach Norwegen gereist und in Lillehammer gelandet. Das idyllische Städtchen liegt etwa 150 km landeinwärts von Oslo entfernt und schmiegt sich mit grünen Bergen und bunten Häuschen an den Mosja, den größten See Norwegens.



Hier habe ich ein nordisch-gemütliches Apartment mit Seeblick gemietet. Ich freue mich auf zwei Wochen Ruhe, Natur und Inspiration für die Blogartikel und neuen Website-Texte, die ich schon ewig vor mir herschiebe.
Mitten im sommerlichen August hoffe ich natürlich auch auf einige Sonnenstunden, denn ich will im wunderschönen Norwegen ja nicht nur in der Bude hocken – Schreibprojekte hin oder her.
Allerdings zeichnete sich dann ein anderes Bild ab und ich musste mich eher auf Dauerregen einstellen. Ich war trotzdem viel draußen unterwegs, habe die Gegend erkundet und meine Regenjacke war in dieser Zeit mein bester Freund.
Hin und wieder hat sich auch die Sonne blicken lassen, aber selbst meine Vermieterin schreibt mir, es täte ihr so leid mit dem Wetter und es würde um diese Jahreszeit sonst nie so viel regnen.
Man könnte sogar meinen, es sind ideale Bedingungen, um meinen Schreibprozess in Gang zu setzen. Aber es sollte alles anders kommen, denn ich durfte lernen, dass sich innere Blockaden mit einem Ortswechsel leider nicht in Luft auflösen. Ehrlich gesagt hat der Druck, in dieser malerischen Umgebung auf Knopfdruck produktiv sein zu müssen, alles nur noch schlimmer gemacht.
Überraschende Einsichten im Kunstmuseum Lillehammer
An einem der heftigeren Regentage war ich jedenfalls im Lillehammer Kunstmuseum. Museumsbesuche stehen eigentlich nicht ganz so weit oben auf meiner Sightseeing-Liste. Aber drinnen regnet es bekanntermaßen nicht.
Im Museum gibt es mehrere Ausstellungen, eine vom norwegischen Maler Jakob Weidemann, eine Dauerausstellung verschiedener Künstler und eine Ausstellung mit dem Titel „Zwischen Mystik und Wirklichkeit“. Ich entscheide mich für einen Rundgang durch die dritte Ausstellung und lasse mich überraschen.

Um es gleich vorwegzunehmen: Ich habe keinerlei Bezug zu Trollen, Feen oder Fabelwesen.
Doch die stimmungsvolle Atmosphäre und Inszenierung der filigranen Zeichnungen hat mich doch auf eine Weise berührt, mit der ich gar nicht gerechnet habe.
Es fühlt sich an wie eine vage Erinnerung an etwas, das ich nicht richtig einordnen kann.
Ich bin ohne Erwartungen in diese Ausstellung gegangen, aber dann merke ich, wie sich mein Kopf ausschaltet und ich mich auf einer anderen Ebene darauf einlassen kann. Ich schlendere durch die Gänge und erlaube mir, in diese magische Welt einzutauchen.
Auch bei den anderen beiden Ausstellungen habe ich mir Zeit gelassen und die Werke der Künstler auf mich wirken lassen. Ich bewundere Objekte, Fotografien und impressionistische Gemälde, doch hier kann ich keine echte Verbindung spüren.
Es ist mehr ein ehrfürchtiges Staunen über die Kunstfertigkeit, mit Pinsel und Farbe eine so atmosphärische Szene zu erschaffen, dass man das Meer fast riechen kann und beim Blick in die Gischt die Augen zusammenkneift.
Einige wenige Ausnahmen gibt es, die etwas in mir berühren. Eine eisblaue stille Winterszene oder die Fotografie einer Schlittschuhläuferin aus dem 19. Jahrhundert, die mit erhitzen Wangen auf dem Eis ihre Runden dreht. Ihr Strahlen leuchtet aus dem Bild heraus und ich kann die Freude und Präsenz fühlen, die in diesem Moment liegt. Die Vollkommenheit und Ewigkeit, die in dieser Szene für immer festgehalten ist.
Was norwegische Mystik mit meiner Schreibblockade zu tun hat
Da ist nun also diese großartige Kunst und Zeitgeschichte, die nur meinen Verstand, aber nicht mein Herz erreicht.
Und dann gibt es diese kleinen Werke, die auf einer ganz anderen Ebene zu mir sprechen und aus einer verwunschenen Welt eine Verbindung zu mir finden. Als würden sie etwas Schlafendes wecken, von dem ich gar nicht wusste, dass es in mir schlummert. Wie ein Deja-Vu, das etwas Vertrautes und doch Verborgenes in mir berührt.
Diese kleinen Naturwesen haben seit langem wieder einmal das Tor zur Fantasie geöffnet und mich daran erinnert, wie unendlich frei und weit der innere Raum ist, aus dem wir etwas erschaffen können. Die Geschichten, die Menschen mit Bildern, Worten und kreativen Schöpfungen erzählen. Und die unsichtbaren Bande, die sie über Generationen und Jahrhunderte hinweg knüpfen. Bis in diesen Moment hinein, in dem ich vor einer zarten Zeichnung stehe und eine überraschende Resonanz fühle.
Wenn es an diesem Tag nicht geregnet hätte, wäre mir diese nordisch-mystische Welt verborgen geblieben. Ich hätte sie nicht gesucht, weil ich niemals vermutet hätte, dass sie etwas in mir ansprechen oder beflügeln könnte.
In diesem Moment wird mir bewusst, wie selten ich mich in meinem Erwachsenenleben noch für unbekannte Welten öffne. Wie sehr uns manchmal das, was sich bekannt, vertraut und sicher anfühlt, im Stillstand hält. Und was uns alles verborgen bleibt, wenn wir nicht ab und zu unsere inneren Grenzen weiten.
Aus uns selbst heraus einen Anfang finden
Ich spüre plötzlich diese unbändige Kraft, mit der Menschen etwas zum Ausdruck bringen, das erst einmal nur für sie selbst von Bedeutung ist. Weil es nicht um ein bestimmtes Ergebnis geht, sondern um den lebendigen Impuls der Entfaltung und die kreative Energie, die wir alle in uns tragen.
Bei dem einen hinterlassen wir mit unserem persönlichen Ausdruck vielleicht eine winzige innere Bewegung, eine leise Erinnerung an etwas, das uns trägt und verbindet. Plötzlich wird etwas in uns angestoßen und gerät in Schwingung.
Und beim anderen hinterlassen wir gar nichts. Oder ein Stirnrunzeln. Vielleicht auch Gleichgültigkeit oder Ablehnung. Und all das darf da sein. Weil wir nicht jeden Menschen erreichen können. Weil wir alle unterschiedliche Bedürfnisse, Erfahrungen und Werte haben und immer nur einen kleinen Ausschnitt aus der Welt des anderen sehen können.
Es geht auch nicht darum, etwas Großes oder Beeindruckendes zu erschaffen, sondern eine wahrhaftige Verbindung von innen nach außen zu finden. Vielleicht können sich manche Menschen hier nicht wiederfinden oder zwischen den Zeilen fühlen, was ich meine. Es sind nur Worte, die für mich jetzt in diesem Moment etwas bedeuten. Weil sie für mich ein Anfang sind.
Und vielleicht kannst auch du darin etwas entdecken, je nachdem, wie sich das Leben gerade für dich anfühlt oder wo du gerade einen Anfang suchst.
Fange nie an aufzuhören, höre nie auf anzufangen!
Cicero
Das Schreiben als Anfang ohne Ziel
Ich habe mich so lange im Kreis gedreht und das kostet unendlich viel Kraft. Auf meinen Schreibprojekten und meiner Angst vor Sichtbarkeit lag so eine erdrückende Schwere, dass ich es seit vielen Monaten nicht schaffe, auch nur einen einzigen Blogartikel zu schreiben.
Ich spüre die Themen, die mich bewegen, aber sobald ich beginne, die Worte zu sammeln, verfestigt sich alles in eine leblose Masse, die nichts mehr mit dem zu tun hat, was ich fühle, was ich wirklich sagen will.
Mein Kopf drängt darauf, meine Erfolge zu dokumentieren oder dir schlaue Tipps für Blockaden mit auf den Weg zu geben. Aber darum geht es nicht.
Es geht darum, einen Anfang zu finden und irgendwo zu beginnen, auch wenn es noch lange nicht das ist, was ich mir erträumt habe. Es geht darum loszugehen an dem Punkt, wo wir gerade stehen.
Also werfe ich heute meine mühsam erstellten Themensammlungen und Stichwortcluster, meine Mindmaps und SEO-Listen über Bord und entscheide mich, einfach anzufangen. Jenseits meiner durchdachten Pläne und Ziele. Mit dem, was ich heute spüre, was jetzt präsent ist und mich auf die eine oder andere Weise vorwärts bewegt, auch wenn es nur ein erster winziger Schritt ist.
Ich beginne hier in diesem Moment, wo das Schreiben kein Ziel haben muss und ich nicht weiß, wo es mich hinführt. Und ich halte aus, dass sich all diese Worte nach gar nichts anfühlen und doch nach etwas Lebendigem. Nach einem Anfang.
Ich starte dort, wo meine Freude am eigenen Ausdruck wieder zum Leben erwacht ist. An einem regnerischen Tag im Kunstmuseum Lillehammer.
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